Bericht: Sitzung des Kultusvorstands vom 19. November 2025

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Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gemeindemitglieder!

In der Sitzung des Kultusvorstands vom 19. November 2025 wurden folgende Themen behandelt:

  • Generalversammlung ESRA mit Jahresabschluss 2024
  • Stand der Restaurierung des Stadttempels
  • Bericht der Antisemitismus-Meldestelle über das erste Halbjahr 2025
  • Dinghofer-Symposium im Parlament
  • Umfrage der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG)
  • Neue Dauerausstellung in der AK Wien
  • Bericht des Präsidenten

Generalversammlung ESRA mit Jahresabschluss 2024

Mit einer Generalversammlung von ESRA, dem psychosozialen Zentrum der IKG, begann die Kultusvorstandssitzung Mittwochabend. Einen Rück- und einen Ausblick präsentierten ESRA-Obfrau und KVin Dwora Stein (Bund) sowie das ESRA-Führungsteam Benjamin Vyssoki (ärztliche Leitung) und Susanne Schütt (kaufmännische Leitung). Die Auswirkungen des 7. Oktober 2023 spiegeln sich in der höheren Inanspruchnahme der Angebote von ESRA wider. 2024 wurden 3.327 Personen beraten, betreut oder behandelt (2023: 3.305). Vyssoki zeigte sich zudem erfreut über die Entwicklung inhaltlich neuer Angebote: dazu zählen unter anderem La’Isha, eine Frauenambulanz für Mental Health, die auch eine peripartale Sprechstunde rund um Schwangerschaft und Geburt anbietet, sowie eine Neurodiversitätsambulanz für Kinder und Jugendliche, in der Autismus-Spektrum-Testungen durchgeführt werden können. Aufgebaut wurden auch Gruppenangebote, derzeit gibt es acht Gruppen, im Frühjahr 2026 sollen es elf sein. So gelingt es auch, all jenen, die psychosoziale Unterstützung brauchen, diese zukommen zu lassen – trotz finanziell schwieriger Situation.

Der Kultusvorstand stimmte einstimmig dem von Schütt präsentierten Jahresabschluss für 2024 zu. Im vergangenen Jahr war ESRA allerdings, wie auch heuer, angesichts von eben gestiegener Nachfrage der Leistungen von ESRA seit dem 7. Oktober 2023 bei gleichzeitig knapper werdender Budgets der Fördergeber in einer finanziell schwierigen Situation. Noch gelinge es allerdings, die Angebote von ESRA ohne strukturelle Einschnitte fortzuführen, betonte Stein. Im laufenden Jahr habe man sich ein Sparbudget verordnet – so werden beispielsweise vakant gewordene Stellen nicht nachbesetzt und man bemühe sich um einen Abbau von Urlaubstagen, sodass auch die Rückstellungen dafür geringer ausfallen können. Dieses Sparbudget soll 2026 fortgeschrieben werden, so Schütt. Auch dem stimmte der Kultusvorstand einstimmig zu.

In abschließenden Statements lobten und dankten mehrere Mitglieder des Kultusvorstands dem ESRA-Team für ihre Leistungen, unter anderem für die Arbeit ESRAs an allen jüdischen Schulen, maßgeschneiderte Eheberatung für orthodoxe Paare  oder generell rasche Hilfe für Gemeindemitglieder in schwierigen sozialen oder gesundheitlichen Situationen. 

Stand der Restaurierung des Stadttempels

Michaela Tanner, die unter der Leitung von Tom Zäuner seitens der technischen Abteilung der IKG die mit 20. Oktober angelaufene Restaurierung des Stadttempels betreut, berichtete dem Kultusvorstand über den Stand der Arbeiten. Die Abbrucharbeiten seien demnach voll im Gang, es würden auch bereits die ersten Durchbrüche durchgeführt. Ein Gerüst im Inneren des Stadttempels ermöglicht die Arbeiten an der Laterne am Plafond der Synagoge, die bis Jahresende abgeschlossen sein sollen. Danach beginnen die eigentlichen Sanierungsarbeiten – gestartet wird in der zweiten Galerie, dann hantle man sich hinunter bis ins Parkett. 

80 Prozent der benötigten Gewerke seien bereits beauftragt, für den Rest sei man noch mit Firmen in Gesprächen, auch hier soll die Beauftragung bald erfolgen. Generalsekretär Benjamin Nägele betonte dazu, dass man bei dem Ausschreibungsprozedere den sehr strengen Kriterien gemäß den Förderverträgen mit der Stadt Wien und dem Bund gerecht werden müsse. Man liege derzeit jedenfalls sowohl im Zeitplan als auch im Kostenrahmen, sagte Tanner. 

Bericht der Antisemitismus-Meldestelle über das erste Halbjahr 2025

Generalsekretär Benjamin Nägele präsentierte dem Kultusvorstand den Bericht der Antisemitismus-Meldestelle für das erste Halbjahr 2025. Demnach wurden 726 Vorfälle als antisemitisch gemeldet und als antisemitisch eingestuft. Diese Zahl liegt zwar leicht unter jener für den Vergleichszeitraum im Vorjahr, aber massiv über jener im ersten Halbjahr 2023 (knapp 300 Vorfälle). Aus dem Tsunami nach dem 7. Oktober 2023 sei eine anhaltende Flut geworden. 

Hätten bis zum 7. Oktober 2023 allerdings die als rechts zuordenbare Vorfälle dominiert, sei 2024 die größte Menge an zuordenbaren Vorfällen muslimisch motiviert gewesen, 2025 lägen Vorfälle mit linkem Background an erster Stelle. Der Antisemitismus von rechts sei allerdings nur gering weniger geworden, so Nägele. Es sei eben nur die Gesamtzahl an Vorfällen massiv gestiegen – mehr als 80% im direkten Konnex des Krieges in Israel - wobei der Generalsekretär einmal mehr aufrief, antisemitische Vorfälle zu melden. Man könne nur dann politisch tätig werden und sich um mehr Schutz und mehr Maßnahmen bemühen, wenn man auch wisse, womit man es zu tun habe. Leider sei von einer hohen Dunkelziffer an antisemitischen Vorfällen auszugehen. 

Weitere Informationen gibt es hier: https://www.ikg-wien.at/nachrichten/erstes-halbjahr-2025-726-antisemitische-vorfaelle-registriert

KVin Stein erzählte im Anschluss an diese Präsentation von einem positiven Erlebnis. Bei einer Konferenz sei sie einer früheren Mitarbeiterin begegnet, die einen Magen David getragen habe, von der sie aber wisse, dass sie nicht jüdisch sei. Darauf angesprochen habe sie gemeint, sie trage den Magen David aus Solidarität. Die Mitglieder des Kultusvorstands zollten ihren Respekt. Es sei wichtig, auch solche Begegnungen zu kommunizieren.

Dinghofer-Symposium im Parlament

KV Erich Nuler (Atid) berichtete über das just rund um die Gedenktage anlässlich der Novemberpogrome im Jahr 1938 im Parlament abgehaltene Dinghofer-Symposium. Dieses wird seit einigen Jahren von der FPÖ abgehalten, nun lud FPÖ-Nationalratspräsident Walter Rosenkranz dazu ein. Dinghofer, der sich schon lange vor der NS-Zeit als „radikaler Antisemit“ bezeichnete, war vor der Schoa Vorsitzender der großdeutschen Volkspartei und trat in der NS-Zeit der NSDAP bei. In geschichtsklitternder Manier würde er von der FPÖ als „Republiksvater“ hingestellt, so Nuler. Dinghofer war 1918 Präsident der Provisorischen Nationalversammlung, als diese die Gründung der Ersten Republik beschloss. Als solcher verkündete er das Ergebnis der Abstimmung. Eine Gruppe namhafter Historiker sowie Präsident Deutsch haben das Symposium im Vorfeld kritisiert. Die JöH habe zeitgleich ein Symposium vor dem Parlament organisiert, um gegen die Veranstaltung im Inneren des Hohen Hauses aufzutreten. Auch die vier anderen Parlamentsparteien haben sich gegen dieses Symposium gewandt. 

https://www.ikg-wien.at/nachrichten/protest-symposium-vor-dem-parlament-gegen-dinghofer-symposium

Umfrage der Israelitischen Religionsgesellschaft (IRG)

Das Österreichisch-Jüdische Kulturerbegesetz verpflichtet die Israelitische Religionsgesellschaft (IRG), alle zwei Jahre eine Umfrage zur Zielsetzung sowie zu Projekten, die gefördert werden, durchzuführen, so Generalsekretär Nägele. Die IKG Wien habe beschlossen, diese Verpflichtung zu nutzen, um weitere Fragen, etwa zum Sicherheitsbedürfnis, aber auch der Zufriedenheit mit den Leistungen der Gemeinde zu stellen. Die Umfrage läuft noch bis 25. September online und Nägele appellierte an alle Mitglieder, aber auch nichtjüdische Menschen, die zum Beispiel Veranstaltungen der IKG besuchen, teilzunehmen. 

https://www.ikg-wien.at/nachrichten/machen-sie-mit-bei-der-jahresumfrage-der-kultusgemeinde

Neue Dauerausstellung in der AK Wien

KRin Stein machte den Kultusvorstand auf die in der AK Wien jüngst eröffnete Dauerausstellung aufmerksam. Dort, wo heute die AK Wien zu Hause ist, stand einst das Palais Rothschild, in dem in der NS-Zeit die Zentralstelle für jüdische Auswanderung untergebracht war. Die neue Schau im Foyer des Gebäudes zeichnet frei zugänglich die Geschichte(n) der Täter und Täterinnen nach. 

https://www.wina-magazin.at/sich-der-taetergeschichte-stellen/

Bericht des Präsidenten

IKG-Präsident Oskar Deutsch berichtete über ein gelungenes Neujahrskonzert mit Ariella Zeitlin im Konzerthaus, einen Galaabend anlässlich des Sieges der Hakoah bei der Österreichischen Fußballweltmeisterschaft vor 100 Jahren sowie die Vergabe der heurigen Simon Wiesenthal-Preise im Parlament, die wie zuvor von der IKG gefordert, ohne Anwesenheit von Nationalratspräsident Rosenkranz über die Bühne ging. Am 9. November habe das Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands (DÖW) zu einem würdigen Gedenken geladen. Spannend gestaltet worden sei von den beiden Nationalfonds-Generalsekretärinnen Hannah Lessing und Judith Pfeffer die 30-Jahr-Feier des Nationalfonds. Besonders eindrucksvoll sei dabei der Auftritt des früheren Bundeskanzlers Franz Vranitzky (SPÖ) gewesen. 25 Jahre ist inzwischen das Archiv der IKG alt, auch aus diesem Anlass gab es eine Feier. Das Archiv zeichne eindrucksvoll die Geschichte der Wiener jüdischen Gemeinde nach – in keiner deutschsprachigen Gemeinde gäbe es ein ähnlich großes Archiv, so Deutsch.

Auf dem politischen Parkett gab es einerseits ein Treffen mit Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (Neos) sowie andererseits einen Besuch des Innenministers Gerhard Karner (ÖVP) in der IKG. Dieser habe den Stadttempel noch einmal in seiner jetzigen Form sehen wollen, gemeinsam mit dem gesamten Ministeriumskabinett. Der frühere Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) habe bei der Präsentation seines Buches im Museumsquartier einmal mehr das für ihn wichtige Verhältnis zur IKG, aber auch auf die gelungene Befreiung der israelisch-österreichischen Geiseln Tal Shoham hingewiesen. „Das ist ihm sichtlich nahe gegangen.“ Vertreten war Präsident Deutsch auch beim Staatsbankett zu Ehren des deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, der Wien im Oktober besuchte.