Interview Wiener Zeitung mit IKG Präsident Deutsch: "Es gibt keine Beziehung zur FPÖ"

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Interview mit Oskar Deutsch anlässlich des Tages der Offenen Türen der Israelitischen Kultusgemeinde am Sonntag. Von Alexia Weiss


Wien. Am kommenden Sonntag lädt die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien zu einem Tag der Offenen Türen. IKG-Präsident Oskar Deutsch grenzt sich im Vorfeld im Interview mit der "Wiener Zeitung" klar von Vereinnahmungsversuchen durch die FPÖ ab. Vor der Wiederholung der Bundespräsidentschaftsstichwahl gibt es nun zudem eine klare Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen durch den Kultusvorstand der IKG.


"Wiener Zeitung":Wir befinden uns in einem prolongierten Wahlkampf. Der nächste Bundespräsident wird nun im Dezember gewählt. Auf Plakate von Alexander Van der Bellen wurde bereits im Frühjahr und nun wieder "Baltischer Jud" geschmiert, auf einem anderen wurden Schläfenlocken und ein von orthodoxen Juden getragener Hut aufgemalt. Was sagt das aus, wenn dies einem nichtjüdischen Politiker passiert?


Oskar Deutsch: Wir haben bereits im ersten Wahlgang auf diese Beschmierungen aufmerksam gemacht. Ich glaube aber nicht, dass es quantitativ mehr als sonst gibt. Es kommt leider in Österreich immer wieder zu solchen Beschmierungen, seien es Wahlplakate, seien es Gedenksteine. Das ist schlimm - aber leider nichts Neues.


Hier wird ja aber ein Nichtjude als Jude diffamiert.


Ich kann nur vermuten, dass Sympathisanten der FPÖ den Eindruck bei Wählern erwecken wollen, dass Alexander Van der Bellen jüdische Vorfahren hat und daher nicht wählbar ist. Das Schüren alter antisemitischer Vorurteile steht im Widerspruch zu Statements, die einige FPÖ-Politiker zu Juden und speziell zu Israel abgegeben haben. Aber dort weiß offenbar die linke Hand oft nicht, was die rechte möchte.


Der freiheitliche Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat jüngst betont, er möchte gute Beziehungen zur Kultusgemeinde haben. Gleichzeitig hält er fest, dass er Muslime nicht in die Hofburg zum Fastenbrechen einladen will. Wie gehen Sie als IKG-Präsident mit solchen Annäherungsversuchen der FPÖ um?


Es hat sich nichts geändert. Ich bin seit 1989 in der jüdischen Politik tätig und ich weiß, dass es diese Annäherungsversuche schon damals bei meinem Vor-Vorgänger, Präsident Paul Grosz, gegeben hat und natürlich auch bei Dr. Muzicant. Das ist nichts Neues. Die IKG-Führung vertritt nach wie vor die Haltung, dass es keine Beziehung zur FPÖ gibt und geben soll.


Was müsste sich ändern, damit die IKG mit der FPÖ in Gespräche eintritt?


Wichtig wäre, zu Minderheiten ein gutes oder zumindest geordnetes Verhältnis zu haben. Man kann nicht gegen einzelne Gruppen so hetzen, wie es die FPÖ tut - das ist ein No-Go. Heute sind es die Muslime, morgen sind es die Juden, übermorgen dann die Homosexuellen. So geht es einfach nicht.


Vor der Präsidentschaftsstichwahl im Mai, die nun wiederholt wird, haben Sie gesagt, Sie wählen Van der Bellen - es gab aber keinen Brief an die Mitglieder der jüdischen Gemeinde mit einer expliziten Wahlempfehlung. Nach der Wahl hat der Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz, Pinchas Goldschmidt, gesagt, ein nicht unwesentlicher Teil der Wiener Juden habe Hofer gewählt. Gibt es dazu überhaupt Zahlen?


Sicher nicht. Wir haben keine Daten dazu. Ich weiß nicht, wie viele Gemeindemitglieder Van der Bellen ihre Stimme gegeben haben und wie viele Hofer. Die Stimmung in der Gemeinde ist ganz klar zu Gunsten des Kandidaten Alexander Van der Bellen. Nicht nur das - der Kultusvorstand hat nun in seiner letzten Sitzung beschlossen, eine Wahlempfehlung abzugeben. Einerseits, um nochmals die Wichtigkeit der Teilnahme an den Wahlen zu betonen, und zweitens, um aufzufordern, Alexander Van der Bellen die Stimme zu geben.


Sie und andere Vertreter der Kultusgemeinde betonen immer wieder, dass durch den starken Zustrom muslimischer Flüchtlinge ein Ansteigen des Antisemitismus spürbar ist. Was gab es hier konkret an Vorfällen?


Ein Vorstandsmitglied hat in der vorletzten Sitzung berichtet, dass Jugendliche, die in einen Cheder - das ist eine Religionsschule - gehen, täglich von verschiedensten Leuten angepöbelt werden. Vor anderen Einrichtungen wie etwa Schulen oder jüdischen Vereinen gibt es ähnliche Vorfälle.


Sind das tatsächlich immer Muslime, die hier Juden beschimpfen und belästigen?


Es sind nicht nur Muslime, die Juden beschimpfen, auch rechtsextreme Antisemiten tun das.


Dennoch halten Sie an dem von Ihnen eingeschlagenen Weg der Öffnung fest und laden erneut zu einem Tag der Offenen Türen in die Seitenstettengasse. Sind auch Muslime willkommen?


Jeder ist willkommen. Ich hoffe aber, dass nur Freunde kommen.


Sie beklagen auch, dass es keine gute Gesprächsbasis mit der Muslimischen Glaubensgemeinschaft gibt. Haben Sie Ihrerseits bereits mit dem neuen Obmann, Ibrahim Olgun, Kontakt aufgenommen?


Ich noch nicht, aber der Generalsekretär der IKG, Raimund Fastenbauer, hatte vor einer Woche ein erstes Gespräch.


Welche Themen würden Sie mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft gerne besprechen?


Ich habe dem Vorgänger Olguns immer wieder vorgeworfen, dass Hasspredigten in Moscheen in Wien auf der Tagesordnung stehen. Dieser hat das entweder negiert oder gemeint, dass wir falsche Übersetzungen haben. Dieses wichtige Thema würde ich am dringendsten besprechen. Ich erwarte mir entschiedenes Auftreten gegen diese Prediger. Es ist inakzeptabel, dass gegen andere Religionen aufgewiegelt wird. Im Zusammenhang mit dem Terrorismus ist es an der Zeit, dass die moderaten Muslime, und das ist die große Mehrheit, aufstehen und Partei gegen radikalen Islamismus ergreifen. Juden, Politiker und Vertreter anderer Religionen können den Kampf gegen radikalen Islamismus nicht alleine führen. Gemeinsam mit den moderaten Muslimen aber können wir dagegen ankämpfen.




Quelle: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/wien/stadtleben/844939_Es-gibt-keine-Beziehung-zur-FPOe.html?em_cnt=844939