Die Sitzung des Kultusvorstands
vom 10. Mai 2023 behandelte folgende Themen
- Wahl des Tempelvorstands
- Stand Sanierung jüdischer Friedhöfe
- Die Arbeit des Mitgliederservice
- Tilgungspläne der IKG Wien
- Rückblick auf Jom haAtzma‘ut- und Gedenkfeiern
Wahl des Tempelvorstands
Laut Statut muss sich der Tempelvorstand spätestens ein Jahr nach einer Kultusvorstandswahl neu konstituieren, erklärte Generalsekretär Benjamin Nägele. Dazu muss dieses Gremium neu gewählt werden. Der Kultusvorstand legte daher Mittwoch Abend zwei Wahltage fest: Die rund 500 Wahlberechtigten können am 15. Juni 2023 zwischen 8 und 16 Uhr oder am 21. Juni 2023 zwischen 12 und 20 Uhr ihre Stimme in der Seitenstettengasse abgeben. Jede im Kultusvorstand vertretene Fraktion kann einen Vertreter oder eine Vertreterin entsenden, der oder die den Stimmabgaben und der anschießenden Auszählung der Stimmen beiwohnt. Kandidaturen um einen Sitz im Tempelvorstand müssen bis spätestens drei Wochen vor dem ersten Wahltermin, also am 24. Mai 2023, schriftlich an den Generalsekretär für jüdische Angelegenheiten unter office@ikg-wien.at oder per Brief an IKG Generalsekretariat, Seitenstettengasse 4, 1010 Wien gemeldet werden. In der Kultusvorstandsitzung am 26. Juni wird dann der neue Tempelvorstand offiziell ernannt.
Stand Sanierung jüdischer Friedhöfe
Generalsekretär Klaus Hoffmann berichtete dem Kultusvorstand über den Fortschritt bei der Sanierung jüdischer Friedhöfe. Fertig saniert wurden die Friedhöfe in Waidhofen an der Thaya, Oberstockstall, Baden, Graz und Linz – sie wurden 2022 den jeweiligen Gemeinden zur weiteren Pflege übergeben. Basis dafür ist eine jeweils auf 20 Jahre geschlossene Pflegevereinbarung. Aufwändig gestalten sich die Sanierungsarbeiten auf den Wiener Friedhöfen – Seegasse, Währing und 1. beziehungsweise 4. Tor am Zentralfriedhof. Alle drei Friedhöfe sind historisch von besonderem Wert – die Seegasse ist der älteste erhaltene jüdische Friedhof in der Stadt, der Währinger Friedhof gehört zu den seltenen Biedermeierfriedhöfen in Europa, der noch dazu sowohl über aschkenasische als auch sefardische Grabstätten verfügt. Der Zentralfriedhof wiederum ist weltweit nach Warschau der zweitgrößte jüdische Friedhof.
Zu Gast war Mittwochabend Dr. Jennifer Kickert vom Verein „Rettet den Jüdischen Friedhof Währing“. Dieser bemüht sich um Spenden, um die Sanierungsarbeiten auf diesem 21.000 Quadratmeter großen Areal voranzutreiben. Jüngst wurde zudem im ehemaligen Tahara-Haus ein Ausstellungsraum eröffnet. Kickert umriss die Fortschritte des vergangenen Jahres. In Sektor eins, der in etwa 6.000 Quadratmeter umfasst, werde eine Teilfläche nach der anderen instandgesetzt. Auf einer solchen Fläche befinden sich in etwa 250 Grabsteine, die Kosten für die nötigen Arbeiten von Baumschnitt bis Steinrestaurierungen belaufen sich dabei jeweils auf etwa 200.000 Euro. Entsprechend langsam schreite trotz objektiv großer Fortschritte das Gesamtvorhaben voran. Der Kultusvorstand dankte Kickert nach ihren Ausführungen für das Engagement des Vereins.
Aus dem beim Nationalfonds angesiedelten Friedhofsfonds erhalten die Kultusgemeinden pro Jahr vom Bund eine Million Euro – um auf dieses Geld zugreifen zu können, müssen die jüdischen Gemeinden allerdings ebenfalls eine Million Euro aufbringen. Aktivitäten wie jene des Vereins „Rettet den jüdischen Friedhof Währing“ zählen zu diesem Beitrag der Kultusgemeinden.
Die Arbeit des Mitgliederservice
Debora Kravtschenko, Leiterin des Mitgliederservice, skizzierte dem Kultusvorstand das breite Feld der Aufgaben ihrer Abteilung. Das Mitgliederservice betreut die Aufnahme neuer Mitglieder (die Entscheidung obliegt hier schließlich nach Prüfung der Dokumente dem Rabbinat), verwaltet und aktualisiert regelmäßig die Mitgliederdatenbank, hebt die Mitgliedsbeiträge ein, verwaltet Grabplatz-Reservierungen, organisiert den Verkauf der Tempelkarten vor den Hohen Feiertagen aber auch die Wahl des Kultusvorstands sowie des Tempelvorstands.
Das Mitgliederservice ist aber auch Anlaufstelle für Anliegen von Gemeindemitgliedern aller Art – so wird etwa für jene, die eine deutsche oder israelische Pension beziehen, hier eine Lebensbestätigung ausgestellt. Grundsätzlich versuchen Kravtschenko und ihr Team allen Anliegen gerecht zu werden, auch indem man auf die von anderen IKG-Institutionen angebotenen Leistungen verweist. Kravtschenko betonte, das Mitgliederservice sei „ein Herzstück der Kultusgemeinde“.
Aktuell freut man sich zudem über einen Mitgliederzuwachs. Die IKG Wien hat derzeit 7.932 Mitglieder. Davon sind 267 Ukrainer und Ukrainerinnen, deren Dokumente wurden vor der Aufnahme genau geprüft, eine Reihe von Menschen sei hier noch in Warteschleife. Nicht alle, die aus der Ukraine nach Österreich geflohen seien, hätten sich definitiv entschlossen, hier zu bleiben, ergänzte IKG-Präsident Oskar Deutsch. „Viele Frauen wissen nicht, wo ihre Männer sind, ob ihre Wohnungen noch existieren. Sie haben noch immer Hoffnung, eines Tages doch zurückkehren zu können.“
Tilgungspläne der IKG Wien
Generalsekretär Hoffmann berichtete über den aktuellen Schuldenstand sowie die Tilgungspläne der IKG Wien. Für die Errichtung neuer Infrastruktur (zum Beispiel des IKG-Campus im Prater), aber auch für die Instandhaltung jener Immobilien, die die IKG vermietet und daraus laufende Einnahmen lukriert, werden immer wieder Kredite aufgenommen. Den Höchststand an Schulden verzeichnete die IKG Wien 2018 mit 110,8 Millionen Euro. Seitdem verringere sich diese Summe Jahr für Jahr um zumindest drei Millionen Euro, freute sich Hoffmann. Mit Beginn 2023 lag der Schuldenstand bei 94,1 Millionen Euro. Die Entschuldung schreite damit zügig und stetig voran, so der Generalsekretär. Dennoch sei es auch heuer nötig, Mittel aufzunehmen, um nötige Instandsetzungsarbeiten durchzuführen. Der Kultusrat stimmte daher Mittwoch Abend der Aufnahme eines fix verzinsten Kredits in Höhe von zwei Millionen Euro zu.
Rückblick auf Jom haAtzma‘ut- und Gedenkfeiern
In seinem Bericht des Präsidenten ließ Oskar Deutsch die diesjährigen Jom haAtzma’ut-Feiern sowie das offizielle Gedenken anlässlich des Endes des Zweiten Weltkriegs am 8. Mai 1945 in Österreich revue passieren. Besonders herzerwärmend sei die Feier der israelischen Unabhängigkeit in der Misrachi ausgefallen. Hervor hob Deutsch aber auch den von der israelischen Botschaft im Palais Liechtenstein organisierten Empfang, an dem auch zahlreiche Spitzenpolitiker und -politikerinnen teilnahmen.
Bundeskanzler, zahlreiche Minister und Ministerinnen und der Parlamentspräsident nahmen auch an Gedenkfeiern anlässlich der Befreiung des KZ Mauthausen sowie Gusen teil. Auch im Bundeskanzleramt wurde eine Gedenkveranstaltung organisiert. Bei einem Erinnerungsfestakt im Parlament habe vor allem ein Statement von Michel Friedman im Rahmen einer Diskussion Aufsehen erregt. Dieser bezeichnete die FPÖ als „Antidemokraten“ und kritisierte die ÖVP für das Eingehen von Koalitionen mit den Freiheitlichen. „Wenn man Michael Friedman einlädt, muss man wissen, was man bekommt“, sagte der IKG-Präsident dazu. Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka habe Friedman eingeladen „und das war gut so“. Er appellierte daran, bei Wahlen ÖVP, SPÖ, Neos und Grüne zu unterstützen „und alles zu tun, damit die FPÖ weniger Stimmen bekommt“.