Der Präsident der IKG Wien, Oskar Deutsch, hat am 18. November 2025 zu einem abendlichen Festakt zum 25-jährigen Jubiläum der Wiederauffindung des Archivs der IKG Wien ins Gemeindezentrum eingeladen. Rund achtzig Festgäste nahmen daran teil.
Präsident Deutsch erinnerte sich in seiner Begrüßungsrede an jenen Tag vor 25 Jahren, an dem er erstmals die 800 Kartons mit Archivalien in der Herklotzgasse 21 im 15. Wiener Gemeindebezirk gesehen hatte. Er war sich bewusst, dass die Dokumente und Bücher einen großen Teil der Wiener jüdischen Geschichte und eine Vielzahl an persönlichen Schicksalen beinhalteten. Oberste Priorität hatte damals die Sicherung der Archivalien sowie deren Aufbewahrung in Räumlichkeiten der IKG Wien. Der Großteil dieser Archivalien wurde in den letzten zwei Jahrzehnten gesichtet, geordnet, erschlossen, mikroverfilmt oder digitalisiert und in Listen bzw. in der Archivdatenbank verzeichnet.
Festredner Hon. Prof. Dr. Lorenz Mikoletzky, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs i.R., gab einen Überblick über die wechselvolle Geschichte des Archivs und sprach u.a. über die Zusammenarbeit hinsichtlich der Verhandlungen zu den Archivbestände in Moskau. Er würdigte das Archiv der IKG Wien als einen unverzichtbaren Ort, der innerhalb der österreichischen Archivlandschaft einen wichtigen Platz einnimmt. Das Archiv der IKG Wien mit seinen bis zu 13 Millionen Dokumenten stellt für ihn ein einzigartiges, unersetzliches, kulturelles Erbe dar.
Mag.a Shoshana Duizend-Jensen, freischaffende Wissenschaftlerin, Autorin und Tempelvorständin, sowie Dr.in Felicitas Heimann-Jelinek, Judaistin und Kunsthistorikerin sowie als Kuratorin und Beraterin für Museen tätig, erzählten, wie sie die Auffindung des Archivs im Jahr 2000 wahrgenommen haben. Frau Duizend-Jensen war anwesend, als die Räume erstmals geöffnet wurden. Niemand hätte daran gedacht, dass sich hinter den Türen derart umfangreiche Archivalien befanden. Für Duizend-Jensen hat das IKG Archiv eine wichtige Bedeutung, da es das einzige bestehende Archiv einer aktiven Jüdischen Gemeinde ist, deren Archivbestände seit der Gründung bis heute erhalten sind. Für ihre wissenschaftlichen Forschungen hat sie die Archivbestände bereits mehrmals eingesehen. Frau Heimann-Jelinek war als Chefkuratorin im Jüdischen Museum der Stadt Wien für die Kuratierung der Ausstellung „Ordnung muss sein“ im Jahr 2007 verantwortlich. Erstmals wurden Archivalien der IKG Wien im musealen Kontext gezeigt. Dieser Schritt in die Öffentlichkeit sowie viele weitere Projekte und Tätigkeiten haben das Ansehen des Archivs der IKG Wien national und international enorm gesteigert. Mehr als 3.000 Anfragen und rund 250 Personen, die das Archiv zu Forschungszwecken besuchen, beweisen dies Jahr für Jahr.
Mag.a Susanne Uslu-Pauer, Leiterin des Archivs der IKG Wien, betonte in ihrem Vortrag, dass es in den letzten 25 Jahren immenser Anstrengungen bedurfte, um das Archiv aus dem „Dornröschenschlaf“ in das 21. Jahrhundert zu führen. Die Abteilung Archiv hat seither mit vielen Kooperationspartnern und Förderstellen wichtige Projekte umsetzen und ein funktionierendes, modernes Archiv aufbauen können. Sie berichtete über die wichtigsten Tätigkeiten im Archiv wie zum Beispiel die Erschließung der Archivalien, diverse Projekte, Forschung, Recherche, Vermittlung von Inhalten, Archivdatenbank, Benutzerbetreuung, Anfragebeantwortung, Erstellung von Findmittel, konservatorische Behandlung der Archivalien sowie Digitalisierung.
Ab 2026 wird das Archiv über ein Webinterface online zugänglich sein. Die IKG Wien ermöglicht damit der weltweit zunehmenden Zahl an Forschenden, Studierenden, Angehörigen von Shoah-Opfern, Mitgliedern von Erinnerungsprojekten sowie Interessierten, eine noch detailliertere Erforschung jüdischen Lebens, jüdischer Geschichte und familiärer Zusammenhänge.
Laut Präsident Deutsch ist das Archiv ein Garant dafür, dass die Geschichte der IKG Wien und seiner Mitglieder im Gesamtkontext historischer, gesellschaftlicher, sozialer und kultureller Zusammenhänge erhalten bleibt. Darauf aufbauend kann sich ein Identitätsgefühl entwickeln, das sich auf gemeinsame Grundwerte wie Toleranz, Solidarität sowie Bekämpfung von Antisemitismus stützt.
Präsident Deutsch wünscht der Abteilung Archiv für die Zukunft alles Gute und bedankt sich beim gesamten Archiv-Team für sein Engagement und tolle Arbeit. Es sollen noch viele Jahrzehnte, ja sogar vielleicht Jahrhunderte folgen.
Musikalisch feierlich begleitet wurde der Festakt von Oberkantor Shmuel Barzilai und Nikos Pogonatos.