Gedenken an die Wiener Geserah vor 600 Jahren

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Heuer jährt sich die Wiener Geserah, hebräisch für Verhängnis, eines der traurigsten Kapitel des österreichischen Mittelalters, zum 600. Mal. 

Die Zerstörung der jüdischen Gemeinschaften im Herzogtum Österreich fand am 12. März 1421 mit der Ermordung von mindestens 200 Jüdinnen und Juden ihren Höhepunkt. „Gerade auch für die Universität gilt der Befund der Kulturwissenschaftlerin Aleida Assmann: Nicht das Vergessen, sondern das Erinnern wird zum Motor der Erneuerung, wenn es sich zugleich als Basis für das neue Selbstbild erweist“, so Rektor Heinz W. Engl zu diesem Anlass.

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„Die Wiener Geserah war eines der brutalsten Pogrome des Mittelalters. Es kam nicht aus dem Nichts. Ihr ging jahrelange antisemitische Propaganda voraus, darunter der Vorwurf der Hostienschändung und Ritualmordlegenden. Am Anfang war das Wort, dann kam die Tat – vor 600 Jahren ebenso wie in späteren Jahrhunderten. Das heutige Gedenken ist daher eine dringende Mahnung für uns alle, jeglicher antisemitischer oder rassistischer Hetze entgegenzutreten, bevor aus Worten Taten werden“- Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde.

Die Rolle der Universität bei diesen Ereignissen vor 600 Jahren war weniger die aktive Mitwirkung an Gewalt- und Vertreibungsmaßnahmen, sondern vielmehr deren Legitimierung. Kurz vor Beginn des Pogroms setzte die Theologische Fakultät der Universität Wien Juden mit Häretikern gleich. Dies war nicht der einzige Vorwand, der das Pogrom rechtfertigen sollte, er hatte jedoch, mit akademischer Autorität der Gelehrsamkeit versehen, zweifellos besonderes Gewicht. „Durch diese Mitverantwortung gehen wir die Selbstverpflichtung ein, die theologische Auseinandersetzung mit dem Judentum sowie die konkrete Kooperation mit der jüdischen Gemeinschaft weiterhin zu fördern“, so der Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät, Johann Pock: „Theologische Lehrmeinungen können niemals die Vernichtung von Menschenleben rechtfertigen“.

Nach der Zerstörung der Wiener Synagoge erhielt die Universität Wien deren Steine als Baumaterial und profitierte damit, wie viele andere Bewohner*innen der Stadt, vom Pogrom. „Unser Gründungstag ist Anlass, den Blick in die Vergangenheit zu richten und anzuerkennen, dass unsere Institution eine hohe Verantwortung trägt, der sie nicht immer gerecht wurde“, so der Rektor der Universität Wien. Universitäten sollen einen Beitrag zu Toleranz, Freiheit und Menschlichkeit liefern, zur Lösung gesellschaftlicher Fragen beitragen und für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft ein wichtiger Impulsgeber sein.

Pandemiebedingt verzichtet die Universität Wien in diesem Jahr auf den üblichen Festakt an der Universität und Ehrungen wie Promotio sub auspiciis präsidentis oder Verleihung von Auszeichnungen wie Ehrendoktoraten entfallen. Bundespräsident Van der Bellen hat den Mitarbeiter*innen und Student*innen eine Videobotschaft übermittelt.