In der Sitzung des Kultusvorstands vom 28. April 2025 wurden folgende Themen behandelt:
- ESRA-Generalversammlung
- Jahresbericht 2024 der Antisemitismus-Meldestelle
- ZPC-Kindergarten
- ORF-Weltjournal
- Bericht des Präsidenten
ESRA-Generalversammlung
Im Rahmen einer ESRA-Generalversammlung stimmte der Kultusvorstand Montag Abend einstimmig der Verlängerung des derzeit amtierenden Vorstandes des psychosozialen Zentrums für weitere 2,5 Jahre zu. Obfrau von ESRA ist damit weiterhin KVin Dwora Stein (Bund), ihre Stellvertreterinnen in dieser Funktion bleiben Elli Shklarek (Atid) und Simone Hollinsky. Schriftführerin ist KVin Betty Kricheli (Atid), ihr Stellvertreter Josef Sarikov (Jachad). Die Rechnungsprüfung haben Judith Adler und Peter Munk inne. Stein dankte für das Vertrauen und betonte: „Wir werden in eurem Sinn weiterarbeiten.“ Auf Nachfrage von KV René Wachtel (Chaj) zum Stand des Sanierungsvorhabens, sagte Stein: es gebe zwar bereits einen ersten Kostenvoranschlag, darüber hinaus aber noch keine detaillierten Umsetzungspläne. Sobald konkrete Pläne vorliegen, werde der Kultusvorstand informiert werden.
Jahresbericht 2024 der Antisemitismus-Meldestelle
IKG-Präsident Oskar Deutsch und IKG-Generalsekretär Benjamin Nägele präsentierten dem Kultusvorstand den Jahresbericht 2024 der Antisemitismus-Meldestelle. Deutsch hob dabei auch das große Medieninteresse an der Pressekonferenz zum Thema in der Vorwoche sowie die zahlreichen politischen Reaktionen darauf hervor. KV Erich Nuler (Atid) erwähnte dabei lobend, dass die Botschaft des Präsidenten, nicht nur dem jeweils anderen Antisemitismus vorzuhalten, sondern sich des Problems auch in den eigenen weltanschaulichen Reihen anzunehmen, angekommen sei. Sowohl SPÖ- als auch Grünen-Vertreter hätten sich diesbezüglich geäußert, explizit auch Antisemitismus in linken und muslimischen Milieus kritisiert. Demgegenüber habe die FPÖ erwartungsgemäß den Antisemitismus von links und von muslimischer Seite skandalisiert und jenen von rechts ausgeblendet.

Der Befund des Berichts ist indessen deprimierend: 2024 erreichte die Zahl der gemeldeten antisemitischen Vorfälle, die auch als solche verifiziert wurden, ein neues Hoch. Insgesamt wurden 1.520 Vorfälle registriert, davon 24 tätliche Angriffe, 38 Bedrohungen, 616 Massenzuschriften, 626 Fälle von verletzendem Verhalten und 216 Sachbeschädigungen. Im Schnitt kam es damit im Vorjahr zu mehr als vier antisemitischen Vorfällen pro Tag – und zwei tätlichen Angriffen pro Monat. Ideologisch hatten 453 Vorfälle einen muslimischen Hintergrund, 376 konnten dem linken Spektrum zugeordnet werden, 223 Angriffe kamen von rechts. In 468 Fällen war die ideologische Motivation nicht eindeutig zuordenbar, so Nägele. Er wies auch auf zeitliche Zusammenhänge hin: so kam es zu besonders vielen Vorfällen rund um die „All eyes on Rafah“-Kampagne im Mai. Ein weiteres Hoch sei rund um die Nationalratswahl im Herbst zu beobachten gewesen.
KV Dezoni Dawaraschwili (VGJ) fragte nach, inwieweit es wichtig sei, den ideologischen Hintergrund zu erheben. Wie bereits in der Pressekonferenz betonte Präsident Deutsch dazu, den Menschen, die hier angegriffen würden, sei es in der Situation egal, woher der Antisemitismus komme. Es sei andererseits aber wichtig für die Gespräche mit den politisch Verantwortlichen, diese Statistik zu führen. Nägele ergänzte, je nach ideologischem Hintergrund gebe es dann verschiedene Ansätze im Kampf gegen den Antisemitismus. „Uns geht es um die Bekämpfung von Antisemitismus.“ Dennoch sei festzustellen: erstmals, seitdem diese Statistiken geführt würden, seien muslimisch motivierte antisemitische Vorfälle die stärkste Kategorie, gefolgt von links motivierten Vorfällen. Bisher seien rechts motivierte Taten immer an erster Stelle gestanden. „Uns ist aber wichtig, das nicht gegeneinander auszuspielen. Antisemitismus ist fürchterlich für die Betroffenen, egal aus welcher Richtung er kommt.“
Auf die Frage von Wachtel (Chaj), ob man proaktiv auf Universitäten zugehe, wo man wisse, dass es Probleme gebe (er prangerte dabei vor allem zwei Professoren an der Universität für angewandte Kunst an), betonte Deutsch: das passiere laufend. Aber auch mit Schulen, wo sich Probleme zeigen, sei man im Austausch.
ZPC-Kindergarten
KVin Natalie Neubauer (Atid) berichtete, dass der ZPC-Campus in diesem Schuljahr auf Grund der schwierigen Situation des Bibi Sara-Kindergartens, dessen Schließung bevorstand, eine neunte Kindergartengruppe eröffnet hat und dafür auch Umbauarbeiten vornehmen musste. Ziel war, dass jede Familie, die das wollte, für ihr Kind/ihre Kinder einen Platz in einem jüdischen Kindergarten bekomme. Am Ende sei der Bibi Sara-Kindergarten doch geöffnet geblieben und die neunte Gruppe nur spärlich besetzt gewesen. Das habe für die ZPC zu hohen Kosten geführt, denn die Kindergartenfinanzierung durch die öffentliche Hand funktioniere pro Kopf. „Wir können diese zusätzlichen Kosten nicht stemmen“, betont Neubauer. Alle Kinder, die bereits angemeldet seien, hätten einen fixen Platz im ZPC-Kindergarten. Darüber hinaus gebe es aber nun für das kommende Kindergartenjahr (September 2025 bis August 2026) keinen freien Platz mehr.
ORF-Weltjournal
Die IKG hat in den vergangenen Monaten den Klagsweg gegen den ORF wegen der Ausstrahlung einer Dokumentation zum aktuellen Krieg in Gaza im Rahmen der Sendereihe „Weltjournal“ beschritten. Dies sei notwendig geworden, weil die Verantwortlichen im ORF die Kritik nicht ernst genommen hatten. Fehler, auf die die IKG hingewiesen hat, wurden vom ORF ignoriert.
Konkret haben die Kultusgemeinde und mehr als 120 Einzelpersonen, die den ORF-Beitrag entrichten, über die Kanzlei der Medienrechtsanwältin Dr.in Maria Windhager eine Beschwerde bei der KommAustria eingebracht. Argumentiert wird seitens der Kultusgemeinde mit Verletzungen des ORF-Gesetzes. Die Entscheidung der Behörde in der Angelegenheit steht noch aus.
Nuler (Atid) führte dem Kultusvorstand Ausschnitte aus der Dokumentation „Gaza-Krieg – Hölle auf Erden“, die am 4. September 2024 ausgestrahlt wurde und danach ein halbes Jahr auf „ORF ON“ abrufbar blieb, vor. Er zeigte dabei Beispiele auf, woran die IKG ihre konkrete Kritik an der fehlenden journalistischen Überprüfung von Aussagen und auch Interviewten sowie von falschen Tatsachenbehauptungen und falschen Übersetzungen aus dem Arabischen und aus dem Hebräischen festmacht.
Der Film wurde aus Großbritannien zugekauft – eine übliche Praxis in der Auslandsberichterstattung. Die deutschsprachige Vertonung wurde von der ORF-Redaktion vorgenommen. Dabei sei es zu problematischen Übersetzungsfehlern gekommen. So ist im Original-Ton an einer Stelle von „Ir Gaza“, der Stadt Gaza, die Rede – in der Übersetzung wird von ganz Gaza gesprochen. Dann wieder wird das arabische Wort für „Juden“ mit Israelis übersetzt, was wiederum den Antisemitismus im Gazastreifen verschleiern und zu einer Gefährdung von Juden in Österreich führen würde. Doch nicht nur dadurch wurde in dieser Produktion gegen Juden generell aufgewiegelt, wie Nuler in der Folge detailliert ausführte.

Bereits der Einstieg in die Dokumentation sei journalistisch fehlerhaft. Dabei ist von 40.000 Toten und 90.000 Verletzten die Rede, gebracht als Tatsachenbehauptung, ohne jedwede Einordnung, etwa woher diese Angaben stammten, und dass es seit Beginn des von Hamas am 7. Oktober 2023 begonnenen Krieges Zweifel an den Angaben ebendieser Terrororganisation gebe. Es werde andererseits durch Aufnahmen verletzter Kinder emotionalisiert. Manipulativ wurden derartige Bilder mit Tonaufnahmen israelischer Militärs hinterlegt, die den Kampf gegen die Mörder der Hamas adressierten. Es würden Vorfälle ohne jene kritischen Berichte nur nach dem von der Hamas kontrollierten Narrativ berichtet, wie der behauptete Angriff auf einen Flüchtlingskonvoi von Norden nach Süden. Hier gebe es Berichte, wonach dies kein Angriff aus der Luft, sondern auf dem Boden gewesen sei, wobei sich zum damaligen Zeitpunkt keine IDF-Truppen in diesem Gebiet befunden hätten.
Es würden aber auch die zwei Hauptprotagonisten nicht adäquat vorgestellt. Die Journalistin Hind Khoudry beispielsweise habe eine einschlägige Vorgeschichte, die in wenigen Minuten via Google zu überprüfen sei. Auf ihren Social Media-Kanälen sei etwa nachzulesen und nachzuhören, dass sie die Hamas für legitimen Widerstand halte und Israel das Existenzrecht abspreche. Vor allem aber habe sie 2019 Friedensaktivisten aus Gaza bei Hamas-Funktionären denunziert.

Der Arzt Ghassan Abu-Sitteh wiederum werde einfach nur als palästinensisch-britischer Arzt vorgestellt. Aber auch zu ihm gebe es eine lange Vorgeschichte, die leicht zu recherchieren sei. Als Rektor an der Uni Glasgow sei er mit mehreren Verfahren konfrontiert, ebenso seitens der britischen Ärztevereinigung. Als er im Vorjahr als Redner bei einem Palästina-Kongress in Deutschland sprechen sollte, wurde ein Einreiseverbot über ihn verhängt. Begründet worden sei dies mit dem Verdacht der Verbreitung terroristischer Propaganda. Das Einreiseverbot wurde zwar aufgehoben, aber dies nur, weil das Gericht diese Maßnahme als überschießend ansah.
Was eine kurze Netz-Recherche aber vor allem ergibt: Kurz nach Kriegsbeginn im Herbst 2023 machte der Vorwurf, Israel habe das Al-Ahli-Krankenhaus beschossen, dabei seien 500 Menschen, darunter viele Kinder zu Tode gekommen, rasch weltweit medial die Runde. Neben dem stellvertretenden Gesundheitsminister von Gaza, einem Hamas-Funktionär, sei bei der Pressekonferenz, wo dies seitens der palästinensischen Behörden verkündet wurde, auch Abu-Sitteh gestanden.

Schon kurz danach stellte sich heraus, dass nicht das Krankenhaus, sondern der Parkplatz davor von einer Rakete getroffen worden war – allerdings einer palästinensischen (Islamischer Jihad), nicht einer israelischen. Abu-Sitteh verbreitet aber bis heute die Unwahrheit über den Vorfall beim Al-Ahli-Krankenhaus. Seine Glaubwürdigkeit hätte der ORF in Zweifel ziehen müssen. Doch auf nichts davon werde in der Dokumentation hingewiesen.
Im Rahmen der Präsentation wurde auch geschildert, dass im Gegensatz zum ORF bei der BBC sehr wohl ein Problembewusstsein vorhanden sei, wenn Fehler passieren. Nuler erklärte dies anhand eines Beispiels: Die BBC hatte einen Dokumentarfilm ausgestrahlt, in dem es um das Leben von Kindern im Gazastreifen ging. Später stellte sich heraus, dass der 13-jährige Sprecher in der Dokumentation der Sohn eines Hamas-Funktionärs war. Außerdem waren arabische Aussagen von Protagonisten fehlerhaft ins Englische übersetzt worden, wodurch hetzerische Aussagen beschönigt wurden. So beklagte sich etwa eine Frau über die Invasion durch die „Juden“, in der Übersetzung der BBC jedoch sprach sie von der Invasion durch die „israelische Armee“. Die BBC räumte diesen Fehler ein, entfernte den Beitrag und kündigte eine Aufarbeitung des Vorfalls an.
Die IKG habe sich hier gemeinsam mit Windhager jedenfalls bemüht, sowohl die präsentierten Fakten, die gemachten Tatsachenbehauptungen und die Übersetzungen zu verifizieren, um so auf vieles aufmerksam zu machen, wo der ORF bei dieser Produktion seiner journalistischen Sorgfaltspflicht, aber auch dem Objektivitätsgebot nicht nachgekommen sei. Was besonders verstimmt habe: auf einiges habe die IKG den ORF sofort nach der Ausstrahlung hingewiesen, der ORF habe aber alles von sich gewiesen. Im Ergebnis hätten nach Ausstrahlung der Dokumentation die Sicherheitsvorkehrungen für die Einrichtungen der jüdischen Gemeinde noch weiter erhöht werden müssen.
Bericht des Präsidenten

IKG-Präsident Deutsch berichtete über einen ganzen Reigen von Gesprächen und Teilnahmen an Terminen wie jenen anlässlich des Besuchs von Tal Shoham, dem österreichisch-israelischen Doppelstaatsbürger, der von der Hamas als Geisel nach Gaza verschleppt worden war und im Rahmen des Geiseldeals dieses Frühjahr freikam. Zu Pessach lud Staatssekretär Alexander Pröll ins Bundeskanzleramt, es gab Gespräche mit Bundeskanzler Christian Stocker, unter anderem zur Finanzierung der Restaurierung des Stadttempels, mit dem israelischen Botschafter David Roet und der finnischen Botschafterin Nina Vaskunlahti, mit Innenminister Gerhard Karner zum Thema Sicherheit und den Antisemitismusbericht sowie einen Empfang für Wiens Bürgermeister Michael Ludwig durch Jachad (VBJ) im Sefardischen Zentrum. Oberkantor Shmuel Barzilai wurde mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst ausgezeichnet und unterhalb der Herzl-Stiege wurde ein kleiner Platz nach dem historischen Kantor Salomon Sulzer benannt. Besonders gelungen sei jene Veranstaltung gewesen, zu der Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 27. April anlässlich 80 Jahre Wiedererrichtung Österreichs geladen habe, so Deutsch.