In der Sitzung des Kultusvorstands vom 15. Mai 2024 wurden folgende Themen behandelt:
Verkauf eines Reserveackers
Thomas Zäuner, der Leiter der Immobilienabteilung der IKG Wien, informierte den Kultusvorstand über Verhandlungen über den Verkauf eines 1.057 m2 großen Reserveackers in der niederösterreichischen Gemeinde Dürnkrut. Das Areal ist als „Gärten und sonstige Flächen“ gewidmet, eine Nutzung durch die IKG war und ist nicht vorgesehen. Mit der Gemeinde konnte ein Kaufpreis von 14.000 Euro verhandelt werden. Diese will dort den örtlichen Friedhof erweitern. Der Kultusvorstand stimmte dem Verkauf Mittwoch Abend zu diesen Konditionen zu.
Antisemitische Vorfälle
IKG-Präsident Oskar Deutsch informierte den Kultusvorstand über jene antisemitischen Vorfälle, die in den vergangenen Wochen auch in einer breiteren Öffentlichkeit thematisiert wurden. Konkret ging es dabei um Aktivitäten rund um die Wiener Festwochen, einen aktionistischen Angriff mit Kunstblut auf eine vom Bundeskanzleramt in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften organisierten Enquete zum Thema Antisemitismus, ein Intifada-Camp auf dem Areal der Universität Wien im Alten AKH, eine Palästinenser-Flagge bei der heurigen Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen sowie Beschmierungen auf Häusern im zweiten Bezirk.

Die problematische Einladungspolitik der Wiener Festwochen samt ihrer inoffiziellen Eröffnung mit der„Rede an Europa“ war bereits Thema in der April-Sitzung des Kultusvorstands. Damals verständigte man sich auf einen angemessenen Protest gegen die Einladungspolitik der Festwochen und den Vortrag des deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm am Judenplatz zu überlegen, der etwa für “Apartheid-”Vorwürfe gegen Israel und dem Ruf nach einer Ein-Staaten-Lösung bekannt ist. Man entschied sich schließlich für ein am Haus der Misrachi angebrachtes Banner mit den Aufschriften „Wer a Jud ist bestimm‘ ich“ (ein Zitat von Karl Lueger) sowie „Die Dämonisierung Israels ist Antisemitismus“. Unabhängig davon hätten Gemeindemitglieder in einem stillen Protest Schilder mit Fotos von Geiseln hochgehalten. Dazu kam eine dritte Gruppe, die sich einerseits gegen die still protestierenden Gemeindemitglieder, andererseits aber auch gegen Omri Boehm wandte. Ein Vertreter dieser Gruppe zeichnete auch für den Angriff mit Kunstblut auf die Antisemitismus-Enquete sowie Ministerin Karoline Edtstadler verantwortlich, so Deutsch. Zu Boehm merkte der IKG-Präsident zudem an: Dieser sei kein Antisemit, aber die Rede sei von der falschen Person zur falschen Zeit gehalten worde und müsse im Kontext mit der Einladungspolitik der Festwochen gesehen werden, die etwa mit Yanis Varoufakis und Annie Ernaux sowie Jean Ziegler notorische Israel-Dämonisierer eine politische Bühne bieten würden.
In Sachen “Intifada-Camp” an der Uni Wien freute sich der IKG-Präsident über die inzwischen erfolgte Räumung. Die IKG habe hier umgehend Kontakt mit Rektor Sebastian Schütze aufgenommen, dessen grundsätzliche Haltung es sei, dass Antisemitismus an der Uni keinen Platz habe. Man habe versucht, Schütze zu vermitteln, dass wenn das Camp nicht rasch aufgelöst werde, man bald Zustände wie an einigen US-Unis bekomme und dass jüdische Studierende sich nicht trauen würden, zur Uni zu gehen oder in ihrer Sicherheit und bei ihrem Studium eingeschränkt werden. Zunächst habe es seitens des Rektors geheißen, es werde schwer, gegen diesen Protest vorzugehen. Eine von der JÖH und der ÖH Uni Wien organisierte Gegendemonstration, aber auch Gespräche der IKG-Verantwortlichen mit Innenminister Gerhard Karner und der Polizeiführung unterstrichen die Dringlichkeit ebenso wie die öffentliche Kritik der IKG am polizeilichen Vorgehen. Das Camp wurde schließlich durch die Polizei unter Verweis auf radikale Parolen geräumt. Die kleineren Höfe der Uni seien nun nachts geschlossen, dort, wo geöffnet sei, patrouilliere die Polizei regelmäßig. Es sei wichtig, dass diese Form des Aktivismus rasch abgedreht werde, betonte der IKG-Präsident.
Für Unmut bei IKG-Vertretern sorgte indessen ein Vorfall bei der diesjährigen Befreiungsfeier in der KZ-Gedenkstätte Mauthausen. Ein Mitglied der Delegation des KZ Verbands Oberösterreich – dieser wird von Kommunisten angeführt, wie Dwora Stein (Bund) im Lauf der anschließenden Debatte erläuterte – trug eine Palästinenser-Flagge im ehemaligen Konzentrationslager. Dem vorausgegangen waren Bemühungen von Dezoni Dawaraschwili (VGJ) und Betty Kricheli (Atid), Willi Mernyi, den Vorsitzenden des Mauthausen Komitees, das diese jährliche Feier veranstaltet, zu überzeugen, das Tragen dieser Fahne zu unterbinden. Das gelang nicht, schließlich wurde zugesichert, dass die Fahne nur eingerollt mitgeführt werden würde. Sie wurde aber schließlich gut sichtbar über das Areal getragen. Die IKG-Vertreter wollten schließlich vor Ort für keinen Eklat sorgen, das IKG-Präsidium protestierte aber im Anschluss schriftlich, die Antwort Mernyis fiel jedoch nicht klar genug aus. Deshalb nahm die IKG schließlich heuer auch offiziell nicht am „Fest der Freude“ am Heldenplatz teil. Die Debatte über diesen Vorfall und dessen Bewertung fiel teils sehr emotional und laut aus. Erich Nuler (Atid) brachte schließlich einen Antrag ein, das Gespräch mit dem Vorstand des Mauthausen Komitees zu suchen. Natalie Neubauer (Atid) ergänzte, dabei müsse unmissverständlich klar gemacht werden, dass solche Provokationen nicht akzeptabel seien. Dem stimmten die Mandatare schließlich mehrheitlich zu.

Ebenfalls den Weg in die mediale Berichterstattung gefunden haben antisemitische Beschmierungen in der Leopoldstadt. Diese wurden schließlich in einer gemeinsamen Aktion von Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka, dem israelischen Botschafter David Roet sowie Oskar Deutsch übermalt. Neubauer regte in diesem Zusammenhang an, sich innerhalb der Community darum zu bemühen, dass solche Vorfälle nicht durch zigfaches Teilen der Fotos auf diversen Kanälen (dabei vor allem WhatsApp) noch weiter hochgeschaukelt werden. Dies trage nämlich zu zusätzlicher Verunsicherung bei und konnte in den Wochen nach dem 7. Oktober durch Sensibilisierung eingedämmt werden.
Wie schon in der Vergangenheit sprach Deutsch das Problem an, dass erfolgte Anzeigen, auch solche durch die Polizei im Rahmen von Demonstrationen, nur schleppend von der Justiz bearbeitet würden. Es brauche hier aber rasche Konsequenzen, das habe er Justizministerin Alma Zadic auch wiederholt mitgeteilt. Stein schlug vor, hier öffentlich nachzufragen, was mit bekannten Anzeigen weiter passiert sei. Mehrere Kultusräte wiesen zudem darauf hin, dass es wichtig sei, jeden antisemitischen Vorfall sowohl der Antisemitismus-Meldestelle der IKG zur Kenntnis zu bringen als auch bei der Polizei anzuzeigen. Sie würden es oft schlicht zeitlich nicht schaffen, die Vielzahl der Übergriffe zu melden.
Gedenkkonzerte
René Wachtel (Chaj) informierte über die derzeit laufenden „Wiener Gedenkkonzerte zum Holocaust“, die heuer zum ersten Mal an öffentlichen Orten quer durch die Bezirke stattfinden. Die Reihe läuft noch bis 8. Juni. Alle Termine gibt es hier: https://www.erinnern.at/bundeslaender/wien/termine/1-wiener-gedenkkonzerte-zum-holocaust
Bericht des Präsidenten

Der IKG-Präsident berichtete über eine Vielzahl von Veranstaltungen einerseits anlässlich der Gedenkfeiern zum 8. Mai (Befreiung vom NS-Terror), andererseits zum Jom Hazikaron und zum Jom Haatzmaut. Besonders hob Deutsch dabei eine Veranstaltung gegen Gewalt und Rassismus im Parlament sowie die Feiern von Israels Unabhängigkeit in der Misrachi sowie in der ZPC-Schule hervor. Im Jüdischen Institut für Erwachsenenbildung (JIFE) sei derzeit eine Fotoausstellung zum 7. Oktober zu sehen. Bundeskanzler Karl Nehammer habe jüngst zu einem Zusammentreffen mit den Vertretern der verschiedenen Religionsgesellschaften geladen, auch dabei sei der starke Antisemitismus Thema gewesen. Gespräche gab es zudem mit Vertretern von Anti Defamation League und Wiesenthal Center. Gemeinsam mit Vizepräsidentin Prutscher traf Deutsch mit der Deborah Lipstadt, der Antisemitismus-Beauftragten der US-Regierung von Präsident Joe Biden zusammen.
