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Von MIRIAM SHEPHER
09.10.2018
Ich bin nur eine der 850.000 jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran, die die Länder, in denen sie zumeist schon seit der babylonischen Zeit gelebt haben, verlassen mussten oder aus ihnen flüchteten oder vertrieben wurden.
Es ist Shabbat Abend. Mein Mann und meine Kinder sitzen um den Esstisch herum und freuen sich auf das Essen. Sowie ich das letzte Gericht – traditionelles tunesisches Couscous – auf den Tisch stelle, versetzt mich das in die Shabbat-Zeit meiner Kindheit zurück, und meine Gedanken kreisen um den Heimatort meiner Familie und ihre Wurzeln, die dort Tausende von Jahren zurückreichen: Tunesien.
Im Jahr 1948 war ich sechs Monate alt, und meine Mutter setzte alles aufs Spiel, um mit mir und meinen Geschwistern Tunesien auf der Suche nach einem besseren Leben zu verlassen. Mein Vater musste zurückbleiben und konnte erst Jahre später an unserem endgültigen Zielort wieder bei uns sein. Wir drängten uns auf ein Schiff namens Negba und ertrugen eine schwierige Reise nach Frankreich. Dort warteten wir ein Jahr lang, bis wir endlich in jenes Land reisen konnten, das meine Mutter immer als unser Zuhause betrachtet hatte: Eretz Israel.
Ich bin nur eine der 850.000 jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran, die die Länder, in denen sie zumeist schon seit der babylonischen Zeit gelebt haben, verlassen mussten oder aus ihnen flüchteten oder vertrieben wurden. In den Jahren, die auf die Unabhängigkeit des Staates Israel folgten, erlitten Juden in den arabischen Ländern unerträgliche Diskriminierungen und Gewalttaten, die zu ihrer Zwangsaustreibung führten. Sie ließen ihr Eigentum und ihre Habseligkeiten zurück und trugen nur das Nötigste mit sich, um sich in Sicherheit bringen zu können.
Es wurden Juden aus Marokko, Algerien, Tunesien, Ägypten, Libyen, dem Irak, Jemen, der Türkei, dem Libanon und Syrien – und später aus dem Iran – vertrieben. Wie auch meine Familie ließ sich fast die Hälfte dieser Flüchtlinge in Israel nieder. Ganze jüdische Gemeinden wurden ausgelöscht. Jahrhunderte alte religiöse Bräuche, Traditionen, Kultur und Musik verschwanden aus dem Nahen Osten und Nordafrika.
Unsere Geschichten werden weitgehend verschwiegen. Viele wissen nichts über unser kollektives Trauma.
Während ich in Israel aufwuchs, trug ich meine Wurzeln mit mir. Mein Leben änderte sich im Alter von 11 Jahren, als ich die Möglichkeit bekam, in einem Kibbuz zu leben. Mein Vater war inzwischen in Israel gestorben, und meine Mutter hatte Schwierigkeiten, uns zu versorgen.
Es war in diesem Kibbuz, wo mein Leben als Israelin tatsächlich begann, und wo ich ein echtes Familiengefühl entdeckte. Ich lernte das Land Israel und das Volk kennen und verstand, dass ich gesegnet war, in einer Zeit zu leben, in der der jahrhundertealte Traum des jüdischen Volkes Wirklichkeit geworden war. Ich habe mich in mein Land verliebt.
Inzwischen hat mich der Weg meiner Familie nach Amerika geführt, wo ich mit meinem Mann unsere Kinder großgezogen habe – aber ich habe nie vergessen, woher ich komme. Jedoch scheint es, dass wir für internationale Organisationen und Menschenrechtsorganisationen unsichtbar sind. In den Vereinten Nationen und auf der ganzen Welt ist der Aufschrei der Menschen wegen der palästinensischen Flüchtlinge zu hören. Würden wir, die vergessenen Flüchtlinge, dieses globale Mitgefühl nicht ebenso verdienen? Wir sind der lebende Beweis für den Massenexodus von Juden aus den arabischen Ländern und aus dem Iran.
Der Staat Israel versuchte, diese Ungerechtigkeit aufzuheben, indem ein gesetzlicher Gedenktag in Erinnerung an die Tragödie dieser Juden, die ihr Zuhause verlassen mussten, eingeführt wurde. Jetzt wird jährlich am 30. November meiner Geschichte und der Geschichte von Hunderttausenden anderen Mizrachim gedacht.
In Tunesien sind die jüdischen Gemeinden und unsere Religion weitgehend unterdrückt worden. Heute, durch meine Position beim Israeli-American Council (IAC), habe ich Privilegien, über die meine Familie in Tunesien nicht verfügte – ich bin stolz darauf, ein aktives Mitglied der jüdischen und israelisch-amerikanischen Gemeinden zu sein. Ich bin gesegnet, in der Lage zu sein, mich für eine Arbeit einsetzen zu können, die die jüdische Identität stärkt, israelische Amerikaner und jüdische Amerikaner verbindet und zur Kontinuität des jüdischen Volkes beiträgt.
Das gleiche Familiengefühl, das ich im Kibbuz in Israel kennenlernen durfte, besteht innerhalb des IAC. Die IAC-Familie setzt sich aus israelischen Amerikanern mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Geschichten zusammen, ist aber letztendlich eine einzige leidenschaftliche, herzliche, und von Küste zu Küste reichende Familie.
Heuer wird der Gedenktag für die jüdischen Flüchtlinge aus den arabischen Ländern und dem Iran in die Zeit der fünften jährlichen nationalen Konferenz des IAC fallen, die vom 29. November bis 2. Dezember stattfinden wird. Der Rat wird diesem Gedenktag eine Sondersitzung widmen. Wir werden als IAC-Familie zusammenkommen, um die Geschichte dieser 850.000 Juden zu erzählen.
Unsere Geschichte wird nicht länger verschwiegen werden.
Miriam Shepher ist Mitglied des nationalen Vorstands und emeritierte Ratsvorsitzende für Los Angeles des Israeli-American Council.