Bericht: Sitzung des Kultusvorstands vom 17. April 2024

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In der Sitzung des Kultusvorstands vom 17. April 2024, bei dem dieser zu Gast im Sefardischen Zentrum in der Tempelgasse war, wurden folgende Themen behandelt:

Programm der diesjährigen Wiener Festwochen

Bezüglich der heurigen Wiener Festwochen berichtete IKG-Präsident Oskar Deutsch von „bedenklichen und gefährlichen Entwicklungen“. Einzelne Referenten bzw. Proponenten seien bekannt für ihre Versuche, Israel zu dämonisieren und dafür, Antisemitismus zu verbreiten. Beispielsweise seien die französische Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux und der griechische Politiker Yanis Varoufakis als lautstarke Unterstützer der Boycott, Divestment, Sanctions-Bewegung (BDS) aufgefallen, wurde in der Debatte eingeworfen. Ernaux fordere den Boykott israelischer Kunstschaffender und nach dem Massaker der Hamas auf Israel am 7. Oktober auch den Boykott deutscher Kultureinrichtungen, weil sich Deutschland angeblich „israelfreundlich“ zeige. Varoufakis bezeichne die Hamas selbst nach dem 7. Oktober als Guerillas, die Widerstand leisten würden. Er habe sich auch auf Nachfrage geweigert, den Terror zu verurteilen. Weitere BDS-Unterstützer und Organisationen, die Israel delegitimieren, seien auf der Homepage der Wiener Festwochen angeführt. Deutsch habe seine Kritik sowohl dem Intendanten der Wiener Festwochen, Milo Rau, als auch der Kulturstadträtin schriftlich kundgetan und einen Kommentar im „Standard“ veröffentlicht (https://www.derstandard.at/story/3000000213365/oskar-deutsch-keine-toleranz-fuer-die-intoleranz-bei-den-wiener-festwochen).

Die Direktorin des Jüdischen Museum Wien beendete ihre Kooperation mit den Wiener Festwochen, nachdem die Vorgänge bekannt wurden und das Jüdische Museum als Mitveranstalter einer „Rede an Europa“ vom deutsch-israelischen Philosophen Omri Boehm genannt wurde, berichtete Oskar Deutsch. Boehm setze sich unter anderem für ein Ende des Staates Israels als jüdisch geprägte Demokratie und für eine Ein-Staaten-Lösung ein. Zudem verbreite er Vorwürfe gegen Israel, wonach es Apartheid befördere und die Shoah für zionistische Zwecke instrumentalisiere. KVin Dwora Stein (Bund), sie ist auch Aufsichtsratsvorsitzende des Museums, ergänzte, dass der Kooperationsvertrag mehr als vier Jahre alt sei und das Museum von dieser Kooperation weder finanziell profitiere noch Einflussmöglichkeit auf den Inhalt hatte. Ein neuer Kooperationsvertrag werde nur zustande kommen, wenn es hier eine Mitgestaltungsmöglichkeit für das Jüdische Museum Wien gebe.

Der Wiener Gemeinderat hat sich einstimmig vom Auftritt von Annie Ernaux bei den Festwochen distanziert und die Festwochen-Leitung aufgefordert, ihre Einladung zu überdenken.

Er selbst sei in solchen Angelegenheiten normalerweise um Diplomatie bemüht, betonte der IKG-Präsident. Die Situation sei allerdings nach dem 7. Oktober sehr angespannt, weiterhin gingen bei der Antisemitismus-Meldestelle regelmäßig Berichte über judenfeindliche Vorfälle ein. Er befürchtet, dass manche der Festwochen-Programmpunkte den ohnehin schon erstarkten Antisemitismus weiter schüren könnten. Es könne nicht sein, dass die Politik immer wieder öffentlich gegen Antisemitismus eintrete und dann solche Beiträge aus Steuermitteln finanziert würden.

In der Debatte über die Wiener Festwochen, an der sich Vertreter und Vertreterinnen aller anwesenden Fraktionen beteiligten, wurden zahlreiche Ideen erörtert, wie gegen antisemitische Umtriebe bei den Festwochen vorgegangen werden könne. Man einigte sich schließlich darauf, dass das Präsidium gemeinsam mit einigen engagierten Gemeindemitgliedern Maßnahmen setzen wird, die aber nicht vorab öffentlich kommuniziert werden sollen.

Bericht der Bildungskommission

Natalie Neubauer (Atid), Vorsitzende der Bildungskommission, berichtete über die jüngsten Aktivitäten des Gremiums. Reuven Rennert habe in den vergangenen Monaten auf der Basis von Befragungen eine Bedarfsanalyse für die jüdischen Bildungsinstitutionen erarbeitet. Die Ergebnisse würden dem Kultusvorstand in einer der kommenden Sitzungen präsentiert. Fortbildungen seien für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der jüdischen Schulen und Kindergärten für die Themen Special Needs, Judentum und die Wiener Gemeinde sowie Hilfe für belastete Kinder angesichts des Kriegs in Israel angeboten worden. Die nächsten Fortbildungen würden sich der Ersten Hilfe für die Psyche sowie dem Kinderschutz und der Kindeswohlgefährdung widmen.

Zum Bereich Special Needs innerhalb der Gemeinde betonte Neubauer, hier gebe es Bedarf für mehr Unterstützung, die Bildungskommission wolle betroffene Familien besser unter die Arme greifen. Sie appellierte an Eltern von Kindern mit besonderen Bedürfnissen, die Hilfe benötigen, sich vertraulich an Lea Nanikashvili zu wenden (biko@ikg-wien.at, 0664 88206752, täglich von 9 bis 15 Uhr). Auch wenn die jüdischen Kindergärten und Schulen manchen Kindern mangels passender Betreuungs- und Förderungsangebote keinen Platz anbieten könnten, bemühe man sich beispielsweise, bei der Suche nach einem geeigneten Kindergarten- oder Schulplatz zu helfen.

Bericht des Präsidenten

Präsident Deutsch berichtete über eine gelungene Megilla-Lesung, zu der er vom VBJ ins Sefardische Zentrum in der Tempelgasse eingeladen worden sei. Tags darauf sei der Stadttempel bei der dortigen Purim-Feier sehr gut besucht und voller Kinder gewesen.

Gemeinsam mit Generalsekretär Benjamin Nägele habe es ein sehr positives Gespräch mit dem Botschafter Tschechiens in Wien, Jiří Šitler, gegeben. Tschechien sei neben Österreich jener Mitgliedstaat der EU, der am stärksten hinter Israel stehe.

Besucht habe die IKG-Führung das Integrationsservice im Rahmen der laufenden Kooperation zwischen dem Integrationsfonds und der jüdischen Gemeinde.

Teilgenommen habe er zudem am Internationalen Roma-Tag im Parlament, so Deutsch. Es sei ihm wichtig, auch für andere Minderheiten einzutreten.

Die Wünsche für koschere und friedliche Pessach-Feiertage verknüpfte der IKG-Präsident angesichts der jüngsten Eskalation des Iran gegenüber Israel mit dem Appell, sich zwar nicht im jüdischen Alltag beeinträchtigen zu lassen, sich aber vor und nach dem Synagogenbesuch nicht lange vor den Synagogen aufzuhalten, sondern schnell ins Gebäude zu kommen beziehungsweise dieses zügig zu verlassen.