In der Sitzung des Kultusvorstands vom 17. April 2023 wurden folgende Themen behandelt
- Einstimmiger Beschluss: Keine Beziehungen der IKG zur FPÖ
- Präsentation Infopoint
- Jahresabschluss 2021 der REV
- Bericht des Präsidenten
- Gedenkminute für Professor Josef Grünberger, s.A.
Einstimmig: Keine Beziehungen der IKG zur FPÖ
Präsident Oskar Deutsch berichtete über die Koalitionsverhandlungen nach der Landtagswahl in Niederösterreich, das Nichtzustandekommen einer Koalition von ÖVP und SPÖ und die schlussendlich eingegangene Koalition von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner mit der FPÖ unter Udo Landbauer. Er habe bereits während der Koalitionsgespräche in einem Brief an Mikl-Leitner sowie öffentlich in einem Kommentar im Standard die Zusammenarbeit mit der FPÖ angeprangert und nochmals nach der Entscheidung der beiden Parteien an die ÖVP appelliert, kein Bündnis mit den Freiheitlichen einzugehen beziehungsweise aufrecht zu erhalten. „Es ist so symbolhaft“, betonte Deutsch, „man kann tun und lassen, was man will, man kann Antisemit sein, Kellernazi sein, den Hitlergruß zeigen, man kann den Holocaust leugnen – wenn man eine Partei für eine Koalition braucht, spielt all das keine Rolle mehr“. Er gebe sich auch keinen Illusionen hin, dass hier auf Bundesebene anders gehandelt werden würde.
KV Erich Nuler (Atid) brachte im Rahmen der Debatte zu der Koalitionsbildung in Niederösterreich schließlich diesen Antrag ein:
„Die IKG unterhält weiterhin keine politischen Kontakte zu Vertretern der FPÖ, auch nicht zu Mitgliedern von Landesregierungen, die dieser Partei angehören. Gespräche mit Behörden, die unter der Verantwortung von FPÖ-Vertretern stehen, werden nur im Anlassfall und nur auf Beamtenebene geführt.“ Dieser wurde vom Kultusvorstand einstimmig beschlossen.
Nuler verwies in der Begründung für den Antrag auf vorhergehende Beschlüsse des Kultusvorstands vom 17. Februar 2000 sowie dem 9. Jänner 2018, keine Beziehungen zur FPÖ zu unterhalten. 2000 war es zum ersten Mal auf Bundesebene zu einer schwarz-blauen Koalition gekommen (damals unter Bundeskanzler Wolfgang Schüssel), 2018 erneut (unter Bundeskanzler Sebastian Kurz). Diese Beschlüsse galten auch für die FPÖ im Burgenland, als diese dort mit der SPÖ (unter Landeshauptmann Hans Niessl) eine Koalition eingegangen war. Nuler unterstrich zudem die besonders rechtsextreme Ausprägung der FPÖ Niederösterreich.
Präsentation des IKG Infopoint
Viktor Zirelman stellte dem Kultusvorstand die Aktivitäten des von ihm geleiteten Infopoint der IKG Wien vor. Dieser wurde auf Initiative von Vizepräsidentin Claudia Prutscher 2019 gegründet, nahm aber nicht zuletzt aufgrund der Covid-Krise erst mit 2021 wirklich an Fahrt auf. Der Infopoint bietet sowohl Synagogenführungen als auch Touren durch das jüdische Wien und Friedhofsführungen an. Stadtspaziergänge machen sich etwa auf die Spuren der ersten, zweiten und dritten jüdischen Gemeinde in Wien, beleuchten das jüdische Erbe der Ringstraße, zeigen das Wien Theodor Herzls, Sigmund Freuds oder der Rothschilds. Es werden aber auch individuelle Touren für Nachfahren Wiener Jüdinnen und Juden angeboten, die dafür relevanten Orte werden zuvor in Kooperation mit dem Archiv der IKG ausgeforscht.
Gebucht werden könnten die Touren sowohl im Eigenvertrieb (IKG-Website, Telefon, Mail) als auch im Fremdvertrieb, hier werde mit online und analogen Reisebüros, Walking Tour Guides, Kreuzfahrtschiffsunternehmen, aber etwa auch Hotels und Universitäten kooperiert. 2022 nahmen rund 8.000 Menschen an einer vom Infopoint organisierten Tour teil, etwa je ein Fünftel kam aus Österreich, Deutschland sowie den USA. Rund zwölf Prozent der Gäste kamen aus Israel. Für heuer erwartet Zirelman eine nochmalige Steigerung der Tourenteilnehmer und -teilnehmerinnen, betonte aber, dass es nun vor allem darum gehe, die Einnahmen pro Tour zu steigern, denn die Kapazitäten seien nicht unbegrenzt. Für die Führungen im Stadttempel stehen derzeit 27 Guides zur Verfügung, weitere zehn seien in Ausbildung. Die Walking Tours werden aktuell von zwölf Guides durchgeführt. Von Chaj-Vertreter René Wachtel nach der prognostizierten wirtschaftlichen Entwicklung befragt, meinte Zirelman, er sei zuversichtlich, dass der Infopoint in den kommenden Jahren einen Gewinn erwirtschafte. IKG-Präsident Deutsch betonte, es gehe aber vor allem auch um „Werbung für das jüdische Wien“.
Jahresabschluss 2021 der REV
IKG-Generalsekretär Klaus Hoffmann und Ronald Geissler, Leiter der Immobilienverwaltung der IKG, präsentierten dem Kultusvorstand die Bilanz der Realitäten-Erhaltungs GmbH REV für das Jahr 2021. Diese fungiert als Hausverwaltung für Fremdimmobilien. 2021 wurden bei Umsätzen von knapp unter 54.000 Euro ein Jahresüberschuss von 15.500 Euro erwirtschaftet, freute sich Hoffmann. Geissler stellte für das Jahr 2022 sogar einen nochmals höheren Überschuss in Aussicht. Mit 2022 sei nämlich durch zwei zusätzliche Objekte die Quadratmeteranzahl der verwalteten Immobilien von 13.438 Quadratmeter auf 16.600 Quadratmeter gestiegen, so Geissler. Zum Vergleich: Die IKG-eigenen Immobilien umfassen rund 160.000 Quadratmeter an Gesamtfläche. Die Entlastung der REV-Geschäftsführung durch den Kultusvorstand erfolgte einstimmig. Geissler bat zudem die Mitglieder des Kultusvorstands, für die REV als Hausverwaltung etwa von Zinshäusern zu werben.
Bericht des Präsidenten
IKG-Präsident Oskar Deutsch berichtete über den Besuch von Pinchas Goldschmidt, dem Vorsitzenden der europäischen Rabbinerkonferenz, in Wien. Hier sei es zu Treffen mit Integrationsministerin Susanne Raab, Außenminister Alexander Schallenberg und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka gekommen. Auch in diesen Gesprächen habe er sich bezüglich der ÖVP-FPÖ-Koalition „kein Blatt vor den Mund genommen“.
Wieder aufgenommen habe man heuer die langjährige Tradition eines Sederabends mit dem Außenministerium sowie der israelischen Botschaft, zu dem einerseits Diplomaten und Diplomatinnen, andererseits auch Sponsoren eingeladen wurden.
Dass der IKG auch das Thema Klimaschutz ein Anliegen sei, zeige die Errichtung einer Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des IKG-Campus im Prater. Diese sei bei einem gemeinsamen Medientermin mit Bürgermeister Michael Ludwig präsentiert worden.
Im Rahmen einer Gedenkstunde der Wiener Philharmoniker an die Opfer und Verfolgten des Nationalsozialismus in den eigenen Reihen sei eine Gedenktafel vor dem Haus des ehemaligen Konzertmeisters Arnold Rosé und seiner Familie in der Pyrkergasse in Wien-Döbling angebracht worden.
Deutsch berichtete zudem vom Wien-Besuch des Generaldirektors des israelischen Diasporaministeriums. Dort sei bekannt, dass viele Diaspora-Gemeinden unter finanziellen Problemen litten.
Beigewohnt habe er auf Einladung der Neos an der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi im Parlament, so der IKG-Präsident.
Und zu einem Zusammentreffen sei es mit der Skisportlerin Avital Carroll gekommen. Sie errang jüngst die Bronze-Medaille bei den Freestyle-Skiing-Meisterschaften in Bakuriani (Georgien) in der Disziplin Buckelpiste. Die gebürtige US-Amerikanerin tritt inzwischen für Österreich an – ihre Großmutter Elfi Hendell war gebürtige Wienerin. Carroll erhielt daher die österreichische Staatsbürgerschaft.
Gedenkminute für Josef Grünberger, s.A.
Am Ende der Kultusvorstandsitzung erinnerte IKG-Präsident Deutsch an den jüngst verstorbenen Professor Josef Grünberger, einst langjähriges Mitglied des Kultusvorstands sowie Präsident der Misrachi. Beide Funktionen hat inzwischen schon seit vielen Jahren sein Sohn Janki Grünberger inne. Ohne Josef Grünberger, der die Renovierung des Misrachi-Hauses veranlasst habe, wäre die Misrachi nicht, was sie heute sei. Mit einer Gedenkminute verabschiedeten sich die Mitglieder des Kultusvorstands schließlich von Josef Grünberger.