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TV Dokumentation: Hitlers Angst und Görings Lederhose. Flüsterwitze im Nationalsozialismus

Datum & Uhrzeit: 28.02.2017, 13:00 - 16:00

Veranstaltungsinfos

Zeit: 28.02.2017, 13:00 - 16:00


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Flüsterwitze sind Waffen des Geistes wider das System, sie waren Subversion, und eine Form des Widerstandes. Die heiteren Miniaturen haben einen erhellenden Informationswert in Bezug auf die psychologische Auswirkung von Propaganda und Terror auf das Individuum.

Samstag, 25.2.2017, 20.15 Uhr, Wh. So 09.00 und 23.25 Uhr, Di 14.00 Uhr

„Hitler hat jetzt die Sahara gekauft, was glaubst du warum? Um den deutschen Volksgenossen noch mehr Sand über den Endsieg in die Augen streuen zu können.“ In totalitären Systemen schaffen sich die Unterdrückten und Verfolgten Ventile und heitere Kompensationen für die repressive Tristesse des Alltags. Im Nationalsozialismus nannte man das Flüsterwitze, erzählt hinter vorgehaltener Hand, leise und auch nicht Jedermann. Denunzianten waren überall. Ertappte wurden nach dem Heimtücke-Gesetz als Volksschädlinge abgeurteilt. Wie strikt Beleidigungen der braunen Eliten geahndet wurden, zeigt der Witz: „Was gibt es für einen neuen Witz? Mindestens ein Jahr Dachau.“

Mit gigantischen Massenchoreografien inszenierte die NS-Tyrannei ihren ideologischen Ernst und ihr Machtmonopol. Die öffentliche Selbstdarstellung des Regimes bestand überwiegend aus dem Gestus des Heroischen. Selbsternannte Erlöser lachen nicht oder nur selten. In den Wochenschauaufnahmen sieht man den „arischen Missionar aus Braunau“ meist mit bierernster Miene. Alleine das ist schon zum Lachen.

Bald nach dem Einmarsch waren viele Witze über die Piefke und Preußen im Umlauf, über deren angebliche Gründlichkeit und arrogante Besserwisserei. Sie stellten jedoch nicht unmittelbar die NS-Diktatur in Frage. Die Themen der Witze sind Zeitreisen durch Regime und Kriegsjahre. Mit Kriegsbeginn wurden Flüsterwitze als Wehrkraft zersetzend geahndet, darauf konnte auch die Todesstrafe stehen, es wurde aber niemand dafür hingerichtet. Je schlechter die Kriegslage, je mehr sich der „Endsieg“ als Illusion entpuppte, desto schärfer die Sanktionen, desto häufiger wurde die Todesstrafe auch vollstreckt. Witze über das Ende signalisieren gleichzeitig den Neubeginn. „Hitler, Göring, Himmler und Goebbels sitzen im Luftschutzbunker. Ein Volltreffer. Wer überlebt? Na wir!“

Die Flüsterwitze begleiteten das NS-Regime durch alle Phasen: von März 1938 bis zum Kriegsende 1945. Sie schilderten den zunehmend angstbesetzten Alltag in der Diktatur. Etwa der: „Hitler hat nach dem Einmarsch im März 1938 drei neue Feiertage eingeführt: Maria Denunziata, Maria Haussuchung und Maria Gefängnis.“ In den Kriegsjahren wurde die Lebensmittelversorgung immer schwieriger, es waren Zeiten zunehmender Mangelwirtschaft. Man hat nicht mehr viel, außer Überlebenswillen, Galgenhumor und Luftschutzkeller. Die beinahe täglichen Bombardements durch Briten und Amerikaner kündeten vom nahenden Untergang des Führerstaates. Daher wurde auch die immer schwierigere Versorgungslage aufs Korn genommen.

Die Witze sind Indikatoren für Stimmungen, gewandelte Begeisterung, Belege für Repression, Verfolgung und Tod, für Kriegsmüdigkeit und Rassenwahn, eine Art begleitendes Meinungsbarometer des Volkes. Sie sind Tagebücher der NS-Zeit. Sie entlarven die Lügen der NS-Propaganda, sie kommentieren gallig den von Hitler entfachten Krieg, der von den propagandistischen Endsieg-Fantasien ins Desaster führte. In Witzform gegossen: „Was ist der kürzeste Witz der Welt? Die Antwort: ,Endsieg‘.“ Die mächtigen Nazi-Herrscher sollen so entzaubert und als Witzfiguren dargestellt werden. Eigentlich sind sie Massenmörder und alles andere als lustig, aber eben auch lächerlich: „Hitler, der Mächtige. Göring, der Prächtige. Goebbels, der Schmächtige.“

Die Schuld an Rassenwahn, Krieg und Zerstörung wird primär auf die NS-Führung fokussiert. In Witze verpackte Selbstkritik oder Reflexionen über die eigene Mitverantwortung gibt es nicht. Die Eliten haben die Massen verführt: „Warum muss man die Bäume schonen? Damit man die Nazibonzen daran aufhängen kann.“

Alfred Dorfer erzählt und interpretiert regimekritische Flüsterwitze der Zeit des Nationalsozialismus. Brigitte Bailer, ehemalige Leiterin des Dokumentationsarchivs des Österreichischen Widerstands, erläutert die zunehmend verschärften juristischen Sanktionen gegen die Witze-Erzähler, und der Wiener Schriftsteller Doron Rabinovici beleuchtet den jüdischen Witz im Angesicht des Grauens.

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